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Rosa Menkel, geb. Rosenboom, *1895

deportiert 1941
ermordet in Minsk


Hemelinger Bahnhofstraße 16
Bremen-Hemelingen

Verlegedatum: 07.06.2012


Hemelinger Bahnhofstraße 16 - Weitere Stolpersteine:


Rosa Menkel

Rosa Menkel

Familienbiografie
Walter Menkel
Rosa Menkel, geb. Rosenboom
Kurt Menkel

Walter Menkel wurde am 12.8.1890 in Lüdenscheid als Sohn von Jakob Menkel (1848-1911) und seiner Ehefrau Rosa, geb. Wolf (1851-1914), geboren. Das Ehepaar hatte einen weiteren Sohn: Karl (geb. 1886 in Lüdenscheid), der später in Leer ein Manufakturwarengeschäft besaß.

Walter Menkel war Viehhändler. Am 12.5.1920 heiratete er Rosa (Röschen) Rosenboom (geb. 2.3.1895 in Loga/Leer). Das Ehepaar bekam zwei Söhne: Kurt Jacob (geb. 31.12.1920) und Heinz Simon (geb. 1923). Kurt lebte zeitweise in Anklam und Wilhelmshaven. Heinz besuchte von 1937 bis 1939 die Jeshiwa, eine religiöse Vorbereitungsschule für jüdische Geistliche in Frankfurt/M., und war dadurch berechtigt, als Vorbeter zu dienen.

Im Februar 1940 verfügte die Gestapo Wilhelmshaven, dass sämtliche Juden bis zum 1. April den damaligen Regierungsbezirk Aurich zu verlassen hätten (siehe Glossar). Walter und Rosa Menkel mussten binnen 24 Stunden ihre Wohnung räumen, es durfte nur das Notwendigste mitgenommen werden. Eine Zeugin erinnert sich: „Bei dieser Gelegenheit sah ich, dass die jüdischen Familien auf einen Lastwagen aufgeladen wurden. Es war ein furchtbares Durcheinander. Die Menschen haben schrecklich geschrien.“

Am 15.2.1940 zog das Ehepaar Menkel nach Bremen, weil hier Verwandte und seit dem 5.2.1940 ihr Sohn Kurt wohnten. Sie fanden kurzzeitig im Sodenstich 3 bei einer jüdischen Witwe Unterkunft, zogen dann für zwei Monate in die Fliederstraße 41b (ebenfalls jüdische Bewohner) und am 1.9.1940 zu ihren Verwandten in die Hemelinger Bahnhofstraße 16. Hier wohnte Siegfried Fränkel (siehe Biografie in diesem Band), der Schwager von Walters Bruder Karl. Den Beruf als Viehhändler konnte Walter Menkel aufgrund der antijüdischen Bestimmungen nicht mehr ausüben und war wie seine Ehefrau als Arbeiter bzw. Arbeiterin tätig.

Walters Sohn Kurt Menkel meldete sich am 2.8.1940 aus der Hemelinger Bahnhofstraße nach Polenzwerder bei Eberswalde ab. Dort betrieb die „Jüdische Nationale Jugend“ eine Hachschara-Ausbildungsstätte, die sich in einer ehemaligen Ziegelei befand. Sie war 1937 von der Organisation ausgebaut worden und bestand bis Ende Juni 1941. Vermutlich wollte sich Kurt hier für die Auswanderung nach Palästina (Alijah) vorbereiten lassen. Seine baldige Rückkehr am 14.7.1941 könnte mit der Schließung des Gutes Polenzwerder im Zusammenhang stehen. Nach wenigen Tagen Aufenthalt bei seinen Eltern fand er eine Unterkunft im Sodenstich 3, wo seine Eltern früher zeitweilig gewohnt hatten.

Walter Menkels jüngerer Sohn Heinz war seit 1939 als Tiefbauarbeiter in Göttingen tätig. Am 31.10.1941 kam er zu seinen Eltern nach Bremen zurück. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass diese und sein Bruder sich auf einen „Arbeitseinsatz im Osten“ vorbereiten sollten. Vermutlich wollte die Familie nicht auseinandergerissen werden.

Am 18.11.1941 wurde die gesamte Familie dann in das Ghetto Minsk deportiert. Heinz Menkel berichtete über ihre Ankunft im Ghetto:

"Wir wurden in Räumen untergebracht, die so aussahen, dass wir annehmen mussten, dass dieselben bewohnt waren und die Insassen durch irgendeinen plötzlichen Aufbruch ihre Wohnungen verlassen mussten. [...] Mein Vater sowie mein Bruder und ich haben aus diesen Baracken insbesondere aus Verstecken, Kellern pp. bereits halbverhungerte russische Juden ans Tageslicht gebracht, aber auch erschossene und erschlagene russische Juden fortschaffen müssen."

Über seinen Arbeitseinsatz berichtete er:
"Ich habe im Soldatenheim I in Minsk gearbeitet [...] und hatte mich über die Behandlung durch die Soldaten nicht zu beklagen. Dieses Kommando im Soldatenheim war als das beste Kommando im Lager bekannt und begehrt. An anderer Stelle: Ich musste dann zum Friedhof, um einem SD-Hund [SD = Sicherheitsdienst] ein würdiges Grab zu bereiten, während Hunderte von meinen Glaubensgenossen in Massengräber hineingeworfen wurden, was ich auch während meiner Tätigkeit auf dem Friedhof selbst sehen konnte."

Walter und Rosa Menkel wurden zu einem unbekannten Zeitpunkt ermordet: Sofern sie nicht den unmenschlichen Lebensbedingungen im Ghetto erlagen, fielen sie einer der Massenmordaktionen, die Ende Juli 1942 begannen, zum Opfer.

Kurt Menkel war Kolonnenführer eines Arbeitskommandos, das der Wehrmacht unterstand. Kurz vor der Liquidierung des Ghettos wurden Kurt und Heinz im September Kurt Menkel 1943 mit einer Gruppe von weiteren 300 Männern nach Lublin verlegt. Dort wurde Kurt erschossen, die Gründe sind nicht bekannt.

Heinz Menkel wurde zur Zwangsarbeit in den Werken von Messerschmitt und Heinkel eingesetzt. Er erreichte am 4.8.1944, aus dem KZ Plaszow (bei Krakau) kommend, das KZ Flossenbürg. Er überlebte den tagelangen Todesmarsch ab dem 20.4.1945 zum KZ Dachau und wurde dort am 29.4.1945 befreit. Er lebte später wieder in Leer und verstarb dort 1971.

Walter Menkels Bruder Karl war 1935 mit seiner Familie aus Leer in die Niederlande geflüchtet. Sie wurden 1942 im Sammel- und Durchgangslager Westerbork interniert, 1943 in das Ghetto Theresienstadt deportiert und 1944 im Vernichtungslager Auschwitz ermordet. Lediglich die Tochter Margot-Ruth überlebte die Verfolgung und wurde 1945 im Ghetto Theresienstadt befreit.

Ruth Köhnen, Tochter von Heinz Menkel, nahm 2012 an der Verlegung von Stolpersteinen zur Erinnerung an ihre Familie teil. „Mein Vater starb 1971, da war ich elf Jahre alt. Er hat nie viel erzählt. Wie er es geschafft hat, am Leben zu bleiben, ist unbegreiflich.“

Peter Christoffersen (2023)

Informationsquellen:
StA Bremen Einwohnermeldekartei, Privatarchiv Familie Menkel; Dreyer, Henning: Facharbeit: Das Schicksal von Heinz
Menkel, 2012; Schäfer-Richter, Klein, Jörg: Die jüdischen Bürger im Kreis Göttingen 1933-1945, Göttingen 1992
Weser Kurier (Stadtteil-Kurier) vom 21.7.2012

Abbildungsnachweis: Privatbesitz

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag Judenvertreibung Ostfriesland / Oldenburg
Glossarbeitrag Minsk