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Jenny de Vries, geb. Neublum, *1871

deportiert 1942 nach Theresienstadt
tot 13.12.1942


Buxtehuder Str. 9
Bremen-Gröpelingen


Buxtehuder Str. 9 - Weitere Stolpersteine:


Jenny de Vries


Jenny de Vries wurde am 1.7.1871 in Harpstedt geboren. Sie war die Tochter des Schlachters Philipp Neublum (geb. 1838) und seiner Ehefrau Johanne (Hannchen) Wohl (1830- 1918). Sie heiratete 1904 in Harpstedt Meyer de Vries (geb. 1878). Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor, geboren in Harpstedt: Erich (geb. 1907), Johanna (genannt Hanni, geb. 1910) und Walter (geb. 1915).

Ehemann Meyer de Vries war gelernter Schlachter und Viehhändler und betrieb eine Fleischerei im Erdgeschoss ihres Wohnhauses in Harpstedt, Große Eßmerstraße 155 (heute Nr. 20). Nach seinem Tod (23.5.1928) übernahm Jenny de Vries den Fleischereibetrieb, den sie bis 1932 führte.

Sohn Walter verließ als erstes der drei Kinder 1933 das Elternhaus und lebte bis 1938 mit Unterbrechungen in Bremen. Tochter Johanna, die seit 1935 in Bremen wohnte, zog im September 1938 weiter nach Hannover. Dort heiratete sie Gustav Philippsohn (geb. 1902 in Diepholz). Nachdem er seine Schlachterei hatte aufgeben müssen, ging auch Sohn Erich im Juni 1938 nach Bremen. Mit Ehefrau Helene und Tochter Marga (geb. 1934 in Wildeshausen) kam er im „Judenhaus“ Westerstraße 28 unter.

Nach dem Fortzug ihrer Kinder bewohnte Jenny de Vries nur noch zwei Zimmer ihres Hauses in Harpstedt, die übrigen Räume hatte sie vermietet. Zusätzlich erhielt sie ab 1936 Fürsorgeunterstützung. Auf Befürwortung des Bürgermeisters erhielt sie eine monatliche Unterstützung von 20 RM. Dafür hatte sie eine Sicherungshypothek von 1.000 RM zugunsten des Landkreises Grafschaft Hoya auf ihr Grundstück eintragen lassen müssen.

Am Tag nach dem Novemberpogrom 1938 wurden Jenny de Vries und das Ehepaar Willi und Ida Löwenstein als einzige noch in Harpstedt verbliebene Juden von der SA durch die Straßen getrieben und für einige Tage arrestiert.

Jenny de Vries verkaufte 1940 ihr Grundstück an den Mühlenbesitzer und Bürgermeister von Harpstedt, der das Anwesen vermietete. Sie konnte dort – nun als Untermieterin – wohnen bleiben. Vom Hausverkauf verblieben ihr rd. 2.300 RM, die auf ein Sperrkonto eingezahlt werden mussten. Im Dezember 1940 war sie dann aufgrund der NS-Verfolgungsmaßnahmen im Bezirk Oldenburg (siehe Glossar Vertreibung der Juden) gezwungen, Harpstedt zu verlassen.

Zunächst kam sie in Bremen vorübergehend bei ihrem Sohn Erich unter, bevor sie in das Nebengebäude des Jüdischen Altersheimes in der Buxtehuder Straße 9 einziehen konnte. Am 23.7.1942 wurden Altersheim und Nebengebäude auf Anordnung der Gestapo geräumt und alle Bewohner in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Dort erlag Jenny de Vries am 13.12.1942 den Entbehrungen.

Ihre Tochter Johanna wurde mit ihrem Ehemann am 15.12.1941 in das Ghetto Riga deportiert. Nach der Auflösung des Ghettos wurde sie am 1.10.1944 in das Konzentrationslager Stutthof überstellt, wo sie am 4.1.1945 ermordet wurde. Das Schicksal ihres Ehemannes ist nicht bekannt. Ihr Sohn Erich wurde mit Ehefrau und Tochter am 18.11.1941 in das Ghetto Minsk deportiert und ermordet. Ihr jüngster Sohn Walter überlebte, er hatte 1938 nach Kolumbien auswandern können.

Peter Christoffersen/Cengiz Jiménez Laux (2019)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E11794, 4,54-E11808, Einwohnermeldekartei
Heile, Dirk: Chronik der Samtgemeinde Harpstedt, Band 2, Harpstedt 1966
Familiendatenbank Juden im Deutschen Reich

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Arisierung"
Glossarbeitrag Theresienstadt
Glossarbeitrag Minsk
Glossarbeitrag "Judenhäuser"