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Else de Jonge, *1904

deportiert 1942 nach Theresienstadt
ermordet in Auschwitz


Buxtehuder Str. 9
Bremen-Gröpelingen


Buxtehuder Str. 9 - Weitere Stolpersteine:


Else de Jonge

Elise de Jonges Eltern waren Wolff Abraham de Jonge (geb. 1868 in Weener) und Pauline Meyer (geb. 1877 in Alfhausen). Sie hatte neben zwei früh verstorbenen Geschwistern noch eine weitere Schwester: Erna (geb. 1907). Ihr Vater wurde am 20.9.1933 wegen einer Streitigkeit unter Viehhändlern von einem Glaubensbruder aus Jemgum beim Verlassen der Synagoge in Weener erschossen. Der Mörder soll sich noch am Tatort die Kehle durchgeschnitten haben. Der Mord veranlasste ihre verwitwete Mutter Pauline, zu ihrer Schwester Rosa zu ziehen, die mit dem Bruder ihres ermordeten Mannes in Weener verheiratet war. Im Zuge der Vertreibung der Juden aus Ostfriesland (siehe Glossar) gingen Elise und ihre Mutter 1940 in das Großelternhaus in Alfhausen zurück. Zu jenem Zeitpunkt war nur noch Elises unverheirateter Onkel Hugo (geb. 1882) aus der Großfamilie (neun Geschwister) dort ansässig. Das Elternhaus wurde inzwischen als „Judenhaus“ genutzt, in dem 20 bis 30 Personen aus der Region Bersenbrück zusammengeführt worden waren.

In diesem Haus hatte Elise de Jonges Urgroßvater 1820 in Alfhausen ein Textilgeschäft gegründet. Nach seinem Tode wurde es von seinem Sohn Jonas – ihrem Großvater – weitergeführt, der es erfolgreich um einen Viehhandel erweiterte. Die Familie Meyer war die einzige jüdische Familie im Ort und genoss hohes Ansehen. Sie galten als großzügige, hilfsbereite und korrekte Geschäftsleute und als wohlhabendste Familie des Ortes. 1938 betrugen ihre Außenstände 45.000 RM bei 200 Schuldnern (Warenforderungen, Darlehen). Nach der „Arisierung“ des Betriebes und der Deportation des letzten Inhabers versuchte die Finanzbehörde diese zu ihren Gunsten einzutreiben.

Die ledige Elise de Jonge zog am 1.8.1940 aus Alfhausen nach Bremen in die Buxtehuder Straße 9, dem Nebengebäude des Jüdischen Altersheimes in der Gröpelinger Heerstraße 167. Im Altersheim war sie als Haushaltsgehilfin beschäftigt. Im Februar 1941 zog auch ihre Mutter Pauline nach Bremen in das Jüdische Altersheim um; im Dezember folgte deren Bruder Hugo. Die de Jonges wählten im Zuge ihrer Vertreibung möglicherweise Bremen als Zufluchtsort, weil schon seit Februar 1940 Schwager Simon de Jonge mit seiner Familie in Vegesack lebte. Im Januar 1942 zog ein weiterer Schwager, Friedrich de Jonge, aus Stade kommend in das Jüdische Altersheim. Nur wenige Tage vor ihrer Deportation zahlte Elise de Jonge das ihr noch verbliebene Vermögen von 6.000 RM auf Anordnung auf das Konto der Reichsvereinigung der Juden ein.

Am 23.7.1942 wurde das Jüdische Altersheim in Gröpelingen auf Anordnung der Gestapo geräumt. Alle Bewohner wurden in das Ghetto Theresienstadt deportiert, unter ihnen auch Elise de Jonge, ihre Mutter Pauline und deren Schwager Friedrich. Am 9.10.1944 wurde Elise de Jonge mit 1.600 weiteren Gefangenen in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert, wo sie ermordet wurde. Pauline de Jonge erlag bereits am 27.8.1942 im Ghetto den Entbehrungen. Friedrich de Jonge verstarb am 7.10.1942 im Ghetto.
Ihr Onkel Hugo Meyer, der das Jüdische Altersheim noch am 20.7.1942 vermutlich mit dem Ziel Alfhausen verlassen hatte, kam am 31.7.1942 ab Münster nach Theresienstadt. Er wurde wenige Tage nach seiner Nichte am 12.10.1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet.

In Alfhausen wurden 2016 für sieben Mitglieder der Familie Meyer Stolpersteine verlegt, darunter auch für Elise de Jonge und ihre Mutter Pauline. Der Schwester Erna gelang die Flucht in die Niederlande, sie tauchte dort unter und emigrierte nach dem Krieg in die USA. Der Gemeinderat Alfhausen beschloss 2002 eine Straße im Ort nach Herz Meyer – Urgroßvater von Elise de Jonge – zu benennen.

Verfasser:
Peter Christoffersen (2019)

Informationsquellen:
StA Bremen 4,54-E11066, 4,54-Rü5472, Einwohnermeldekartei
Familiendatenbank Juden im Deutschen Reich (www.ortsfamilienbuecher.de)
Bersenbrücker Kreisblatt vom 15.12.2015, 23.4.2016
Borries, Maria von: Zur Geschichte der Juden in der Region Bersenbrück, Bramsche 1997
Gemeinde Alfhausen (Hrsg.), 1025 Jahre Gemeinde Alfhausen, Alfhausen 2002 www.gcjz-ostfriesland.de/aktuelles/aspekte-des-juedischen-lebens-in-weener.html
Hein, Peter: Het Misverstand - Een stadtje, twqee doden en de opkomst van het nazime, Amsterdam 2017

Weitere Informationen:
Glossarbeitrag "Judenhäuser"
Glossarbeitrag Judenvertreibung Ostfriesland / Oldenburg
Glossarbeitrag Theresienstadt
Glossarbeitrag Auschwitz